Der Quintenzirkel ist eins der wichtigsten Modelle in der Musiktheorie. Doch was ist der Quintenzirkel überhaupt? Wozu braucht man ihn beim Klavierspielen und warum sollte man ihn verstehen? Eine Antwort auf diese Fragen und eine einfache Quintenzirkel-Erklärung für Anfänger gebe ich dir in diesem Blogartikel.
Was ist der Quintenzirkel?
Der Quintenzirkel sieht auf den ersten Blick vielleicht kompliziert aus, ist aber im Prinzip ganz einfach und sehr nützlich.
Der Quintenzirkel heißt Quintenzirkel, weil dort alle 12 Tonarten in der Abfolge von Quinten, also einem Intervall von fünf Tönen, angeordnet sind. Die Durtonarten sind dabei außerhalb des Kreises, die Molltonarten innerhalb.
Wofür braucht man den Quintenzirkel?
Der Quintenzirkel zeigt dir, wie die Tonarten miteinander in Verbindung stehen. Du kannst ablesen, wie viele Vorzeichen eine Tonart hat, was die parallelen Molltonarten und die Stufenakkorde einer Tonart sind.
Hier kannst du den Quintenzirkel kostenlos als PDF herunterladen und ausdrucken.
Wenn du ihn verstehst, hast du automatisch ein tiefes Verständnis von Tonarten und Harmonien, was dir beim Klavierspielen sehr hilfreich sein wird. Sowohl von Dur-Tonarten als auch von Moll-Tonarten kannst du spielend leicht die Vorzeichen erkennen.
Ich zeige dir nun Schritt für Schritt, was der Quintenzirkel genau anzeigt.
1. Quintabstände
Vom C zum G, vom G zum D usw. ist jeweils ein Abstand von fünf Tönen (der erste und letzte Ton wird mitgezählt). In dieser Reihenfolge kannst du die Tonarten auch im Quintenzirkel ablesen: Vom C beginnend im Uhrzeigersinn zum G usw. Bei den Kreuz-Tonarten hast du also die Reihenfolge C G D A E H Fis.
In die andere Richtung funktioniert es genauso: wenn du vom C fünf Töne abwärts gehst, landest du beim F, dann beim B usw. Bei den B-Tonarten kommst du also dann auf die Reihenfolge C F B Es as Des Ges.
2. Vorzeichen
Schön und gut, aber was bringt denn jetzt diese Anordnung in Quintabständen?
Mit die wichtigste Funktion des Quintenzirkels ist, dass er dir anzeigt, welche Vorzeichen eine Tonart hat. So kannst du bei jedem Stück in wenigen Sekunden die Tonart bestimmen.
Und so geht’s:
C-Dur hat keine Vorzeichen. Wenn wir uns nun im Uhrzeigersinn in der rechten Hälfte des Zirkels bewegen, sind wir bei den Kreuztonarten, in der anderen Richtung bei den b-Tonarten:
Kreuztonarten:
- G-Dur: 1 Vorzeichen (Fis)
- D-Dur: 2 Vorzeichen (Fis, Cis)
- A-Dur: 3 Vorzeichen (Fis, Cis, Gis)
- E-Dur: 4 Vorzeichen (Fis, Cis, Gis, Dis)
- H-Dur: 5 Vorzeichen (Fis, Cis, Gis, Dis, Ais)
- Fis-Dur: 6 Vorzeichen (Fis, Cis, Gis, Dis, Ais, Eis)
b-Tonarten
- F-Dur: 1 Vorzeichen (b)
- B-Dur: 2 Vorzeichen (b, Es)
- Es-Dur: 3 Vorzeichen (b, Es, As,)
- As-Dur: 4 Vorzeichen (b, Es, As, Ges)
- Des-Dur: 5 Vorzeichen (b, Es, As, Ges, Des)
- Ges-Dur: 6 Vorzeichen (b, Es, As, Ges, Des, Ces)
Das kannst du alles im Quintenzirkel ablesen – mit jedem Quintabstand kommt ein Vorzeichen hinzu – das gilt sowohl für die Kreuz-Vorzeichen als auch für die B-Vorzeichen.
Merksprüche für den Quintenzirkel
Damit du den Quintenzirkel nicht auswendig lernen musst, empfehle ich dir zwei Merksprüche. Diese gibt es sowohl für Kreuz- als auch für b-Tonarten.
Merkspruch für die Kreuz-Tonarten
Geh du alter Esel hole Fische
Eine Tonart mit 4 Kreuzen ist also E-Dur.
Merkspruch für die b-Tonarten
Frische Brezen essen Asse des Gesangs
Sag den Quintenzirkel-Merksatz einfach vor dir auf und zähle die Wörter mit: bei 3 b-Vorzeichen wärst du zum Beispiel bei es-Dur.
3. Parallele Molltonarten
Sie befindet sich immer drei Halbtöne, also eine kleine Terz unterhalb der Durtonart. Die parallele Molltonart zu C-Dur wäre also a-Moll. Sie hat die gleichen Vorzeichen wie die Durtonart.
4. Stufenakkorde
Ein weiterer Grund, warum dir der Quintenzirkel hilft, ist die Anordnung der Stufenakkorde.
In jeder Tonart gibt es drei wichtige Akkorde: Tonika, Dominante und Subdominante. Die Tonika ist die I. Stufe einer Tonart. Die Dominante ist die V. Stufe und somit eine Quinte über dem Grundton, die Subdominante ist die IV. Stufe und eine Quinte unter dem Grundton. Du findest also im Quintenzirkel die drei wichtigsten Akkorde immer benachbart aneinander.
Beispiel:
- C-Dur (Tonika)
- G-Dur (Dominante)
- F-Dur (Subdominante)
Mehr über das Spielen von Akkorden kannst du in meinem Beitrag über Akkorde nachlesen.
Enharmonische Verwechslung
Vielleicht ist dir an der Abbildung des Quintenzirkels schon aufgefallen, dass für die untersten drei Tonarten jeweils Kreuzvorzeichen und b-Vorzeichen abgebildet sind. Grund dafür ist die enharmonische Verwechslung. Diese kommt zustande, wenn ein Ton zwei Bezeichnungen hat.
Ein Fis ist z.B. derselbe Ton wie ein Ges, ein Gis derselbe wie ein As.
So sind auch Ges- und Fis-Dur identisch. Die Kreuztonart H-Dur könnte theoretisch auch die b-Tonart Ces-Dur sein und die b-Tonart Des-Dur ist das gleiche wie die Kreuztonart Cis-Dur.
Praktische Anwendung des Quintenzirkels
- Tonart bestimmen: du kannst die Tonart jedes Stückes anhand der Vorzeichen erkennen
- Stücke begleiten: wenn du nur die Melodie gegeben hast, kannst du anhand der Stufenakkorde die allermeisten Songs begleiten
- Stücke transponieren: der Quintenzirkel ermöglicht es dir, Stücke ganz einfach in andere Tonarten zu transponieren, denn du hast sofort die richtigen Akkorde parat
- Komposition und Improvisation: mithilfe der richtigen Harmonien kannst du auch ganz frei eigene Songs spielen
Die Quintfallsequenz
Bestimmt kennst du den Song „I will survive“ von Gloria Gaynor. Weißt du aber, warum der Song harmonisch so interessant ist? Das liegt an der besonderen Akkordverbindung, auf der der Song aufgebaut ist: Der Quintfallsequenz. Dabei handelt es sich um eine Akkordfolge mit lauter fallenden Quinten. Bei „I will survive“ ist das zum Beispiel:
Am, Dm, G, Cmaj7, Fmaj7, Bm7 b5, Esus4 und E
Diese Sequenz kommt nicht nur in diesem Song vor, sondern auch in ganz viele Kompositionen aus vielen Epochen. Johann Sebastian Bach hat die Quintfallsequenz zum Beispiel in sehr vielen Werken verwendet.
Mit dem Wissen um den Quintenzirkel kannst du leicht mit einer Quintfallsequenz improvisieren oder zwischen Tonarten modulieren. In der Regel wird eine tonale Quintfallsequenz verwendet, also werden leitereigene Dreiklänge verwendet. Bei der Tonart a-moll schaut das zum Beispiel wie folgt aus:
Modulation zwischen Tonarten
Ein weiteres Anwendungsbeispiel des Quintenzirkels ist die Modulation, also der Wechsel von einer Tonart in eine andere innerhalb eines Musikstücks. Der Quintenzirkel erleichtert das Verständnis dafür, wie man harmonisch von einer Tonart in die nächste wechselt, da die benachbarten Tonarten auf dem Quintenzirkel harmonisch miteinander verwandt sind.
Songbeispiel: „Yesterday“ von den Beatles
In „Yesterday“ von den Beatles findet eine subtile Modulation statt, die durch den Quintenzirkel leichter verständlich wird. Das Lied beginnt in F-Dur, aber durch geschicktes Songwriting und Harmonieführung gibt es Passagen, die in d-Moll, der parallelen Molltonart von F-Dur, zu liegen scheinen. Wenn man sich den Quintenzirkel ansieht, erkennt man, dass F-Dur und d-Moll direkt nebeneinander liegen, was ihre harmonische Verwandtschaft zeigt.
In „Yesterday“ verwendet Paul McCartney auch die Dominante von d-Moll, nämlich A-Dur, um Spannung aufzubauen und dann wieder in die Haupttonart F-Dur zurückzukehren. Durch den Einsatz von Tonarten und Akkorden, die im Quintenzirkel benachbart sind, erzeugt der Song einen fließenden, natürlichen Klang.
Das Verständnis des Quintenzirkels ermöglicht es dir also, die harmonische Struktur und die Modulationen in solchen Songs leichter zu verstehen und zu analysieren. Es zeigt, wie Songwriter den Zirkel (bewusst oder unbewusst) nutzen, um harmonische Bewegungen und Übergänge in ihren Kompositionen zu erzeugen.
Hallo,
zum graphisch dargestellten Quintenzirkel: Ich nehme mal an, es handelt sich um einen Flüchtigkeitsfehler. Die Tonart Ges hat meines Wissens 6 b´s als Vorzeichen und nicht wie hier dargestellt 7 b`s.
Beste Grüße Rainer
Hallo Rainer,
vielen Dank – du hast völlig Recht, das ist ein „Druckfehler“.
Ich werde heute noch eine korrigierte Version hochladen.
Leider ist G-Dur mit einem Eis abgebildet.