Ein New York-Tourist fragt einen Passanten: „Entschuldigen Sie, wie komme ich in die Carnegie Hall?“ Die Antwort: „Üben, üben, üben!“
Dieser Witz zeigt eines sehr deutlich auf: Erfolg am Klavier (oder an jedem anderen Instrument) hängt untrennbar mit vielem Üben zusammen.
Die erfolgreichsten Pianisten haben viele Tausende Stunden auf dem Klavierhocker verbracht. Und in der Regel nicht mit Zeitunglesen, sondern dem gewissenhaften Verbessern ihrer Fertigkeiten an den Tasten.
Doch neben der simplen Übedauer und -häufigkeit gibt es auch simple Gewohnheiten, die gute Klavierspieler verinnerlicht haben und die sie erfolgreich machen.
Wenn du dir diese Gewohnheiten aneignest, wirst du sofort besser Klavier spielen.
Ich sehe schon dein skeptisches Gesicht.
Aber was ich dir hier verrate, sind keine 08/15-Tipps wie „Übe jeden Tag“ oder „Übe langsam und fehlerfrei“, die so spannend wie Toastbrot ohne Butter sind.
(Auch wenn sie natürlich wahr sind!)
Hier bekommst du 3 Gewohnheiten, die den Unterschied machen zwischen „Ja, ganz nett“ und „Wow, wie macht der das?“.
Das Beste daran?
Du kannst sofort heute damit anfangen.
Lass uns keine Zeit verlieren und legen wir los.
Die Franz-Liszt-Technik für intelligentes Üben
„Denke zehn Mal, spiele ein Mal!“ – diese Anweisung kommt von keinem Geringeren als Franz Liszt, einem der größten Klaviervirtuosen aller Zeiten.
Nur leider verhält es sich bei den meisten am Klavier genau umgekehrt: Sie spielen zehn Mal und denken einmal.
Wie übt jemand, der sich noch nie darüber Gedanken gemacht hat, am Klavier? Er spielt drauflos, fängt vorne am Stück an und versucht sein Glück. „Waidmanns Heil“ – los geht die wilde Fahrt durch Stück. Über Fehler wird einfach drüber gespielt – wird beim nächsten Mal schon besser werden.
Leider habe ich auch einige Jahre so Klavier geübt. Die Aussagen meiner Mutter „Noch 10 Mal spielen und dann darfst du Lego spielen“ haben das Ganze noch verschärft. Denn natürlich wollte ich die 10 Mal so schnell es geht hinter mir haben. Für Konzentration oder gar gezieltes Üben von schwierigen Stellen war keine Zeit. Und leider habe ich das richtige Üben auch im Unterricht nie gelernt.
Einige Zeit später, als ich als Jugendlicher mein Üben langsam etwas reflektiert habe, kam ich zu dem Schluss: Ich muss schwierige Stellen gezielt üben und bei Fehlern die Stelle wiederholen (Wow, herzlichen Glückwunsch, Teenie-Beat, dass du das nach 6 Jahren Unterricht herausgefunden hast).
Wie üben die meisten Klavier, die sich zumindest etwas Gedanken machen? Wann immer ein Fehler passiert, wird ein paar Töne zurückgespult und die Stelle wiederholt. Am besten gleich mehrere Male, bis sich die richtige Art zu spielen korrekt einprägt.
Versteh mich nicht falsch: Ich hab an der Methode nichts auszusetzen, ganz im Gegenteil. Sie verhindert, dass sich Fehler verankern und hartnäckiger bleiben als ein Kaugummi unter dem Klavierhocker.
Hier kommt aber der entscheidende Unterschied zwischen Profis und Hobby-Pianisten. Richtig gute Pianisten nehmen sich ein Beispiel an Franz Liszt.
Halten inne und machen eine Pause. Eine richtige Pause und kein „Ach ja, war wohl falsch, nochmal!“. Sie denken nach und analysieren.
- Warum ist der Fehler gerade passiert?
- Lage es am Fingersatz?
- Ist meine Hand verkrampft?
- Habe ich die Stelle überhaupt richtig gelesen?
- Bin ich mental schon beim nächsten Takt?
- Oder bin ich mental gar nicht anwesend?
Klingt nach lästigem Mehraufwand?
Ja, das kostet etwas Zeit und Hirnschmalz. Aber mal ehrlich: Was ist Aber mal ehrlich: Was ist effizienter? 100 Mal blind drauflos zu spielen und zu hoffen, dass es irgendwann klappt? Das ist ungefähr so wie mit verbundenen Augen einen Dartpfeil zu werfen und zu hoffen, dass er die Triple-20 trifft.
Oder einmal nachzudenken und die Stelle noch einmal richtig zu wiederholen.
Profis wählen Option 2. So schaffen sie es deutlich schneller, fehlerfrei zu werden. Und schwierigen Stellen viel schneller den Schrecken zu nehmen.
Die Hahnenkamm-Strategie für das souveräne Meistern von Klavierstücken
Das Hahnenkammrennen in Kitzbühel ist das spektakulärste und schwierigste Abfahrtsrennen der Welt. Selbst die besten Skirennläufer haben Todesangst, ehe sie sich die „Streif“ hinabstürzen. Um sicher unten anzukommen und einen der begehrten Geißböcke als Trophäe abzuräumen, ist allerhöchste Konzentration Pflicht. Eine kleine Unachtsamkeit kann das Aus und – noch schlimmer – eine schwerwiegende Verletzung nach sich ziehen.
Bei der TV-Übertragung schwenken die Kameras immer wieder zu den Fahrern im Starthäuschen. Sie sind komplett im Tunnel. Und immer wieder man, wie sie die Augen schließen und die Strecke im Kopf durchgehen. Mit geschlossenen Augen bewegen sie ihren Oberkörper nach links und rechts – sie fahren die Strecke mental durch. Jede Kurve, jeder Sprung, jede Bodenwelle wird im Kopf simuliert.
Diese Art des Mentaltrainings nutzen nicht nur Skirennläufer, sondern auch Profi-Pianisten. Sie räumen mentalem Spielen einen hohen Stellenwert ein und verbringen immer wieder Zeit damit, schwierige Passagen zunächst im Kopf zu meistern.
Dabei nutzen sie zwei verschiedene Methoden
Das Partitur-Training: Wie ein Rennfahrer bei der Kursbesichtigung studieren sie die Noten intensiv. Sie visualisieren jeden Fingersatz, hören die Melodieführung innerlich und spüren die Bewegungsabläufe ihrer Hände – und das alles, ohne eine einzige Taste anzuschlagen.
Das Auswendig-Training: Dies ist vergleichbar mit einem Skirennläufer, der die Strecke blind kennt. Das komplette Stück wird rein mental durchgespielt, ohne Noten, ohne Instrument. Wer diese Königsdisziplin beherrscht, hat das Werk wirklich verinnerlicht.
Wenn du noch nie mental Klavier gespielt hast, ist das bestimmt eine Herausforderung für dich. Es ist nicht nur ein hohes Maß an Konzentration dafür nötig, sondern du musst auch lernen, deine innere Vorstellungskraft zu trainieren.
Fange mit kurzen, einfachen Passagen an, die du bereits gut beherrschst. Vielleicht sind es nur vier oder acht Takte. Spiele diese Stelle zunächst am Klavier, präge dir bewusst jeden Finger, jede Bewegung und jeden Klang ein.
Schließe dann die Augen und versuche, die Stelle in Zeitlupe mental durchzugehen. Anfangs wirst du merken, dass deine Vorstellung vielleicht verschwommen ist oder Lücken aufweist – das ist völlig normal. Mit der Zeit wird dein inneres Auge, dein inneres Ohr und dein Bewegungsgedächtnis immer schärfer.
Der besondere Reiz dieser Methode: Du kannst sie überall und jederzeit anwenden. Ob im Wartezimmer beim Arzt, während einer Zugfahrt oder abends vor dem Einschlafen – dein „mentales Klavier“ ist immer dabei.
Dass die Kombination von mentalem und echtem Üben dich gewaltig nach vorne katapultieren wird, ist inzwischen durch zahlreiche Studien belegt. Neben Skiprofis und Musikern nutzen unter anderem auch Basketballer, Golfer, Tennisspieler und Formel-1-Fahrer diese Technik intensiv.
Beim mentalen Üben werden dieselben Gehirnareale aktiviert wie beim echten Spielen. Da du beim mentalen Üben 100 % bei der Sache sein musst, kann es sogar effektiver sein als das physische Üben am Instrument.
Denn mal ganz ehrlich: Wie oft denkst du beim Klavier üben an den nächsten Arbeitstermin oder was du heute abend kochen wirst.
Bevor du jetzt planst, dein Klavier zu verkaufen: Echtes Üben ist und bleibt nicht zu ersetzen. Außerdem geht nichts über den Moment, wenn „selbst produzierte“ Klaviermusik den Raum erfüllt (und nicht nur in deinem Kopf erklingt).
Die Tomatentechnik für hochkonzentriertes Üben
Es ist Samstag. Du hast keine Termine für die nächsten Stunden, deine Familie ist aus dem Haus und du hast endlich Zeit, ausführlich Klavier zu üben.
Voller Elan legst du los. Nach 15 Minuten wandert dein Blick zum ersten Mal aufs Handy. Nach 25 Minuten merkst du, wie deine Konzentration nachlässt. Und nach 35 Minuten ertappst du dich dabei, wie du mechanisch die gleiche Stelle wieder und wieder spielst, während deine Gedanken längst beim Abendessen sind.
Du kennst bestimmt Erzählungen von Profi-Musikern, die 8 oder mehr Stunden am Tag üben. Was sie dir aber nicht erzählen:
Sie üben keinesfalls stundenlang am Stück.
Nicht nur würden sie sich schlimme Verspannungen holen, sondern auch bei ihnen würde die Konzentration irgendwann nachlassen.
Selbst die fleißigsten Übebienchen machen Pausen.
Doch wann ist Zeit für eine Pause?
Das ist extrem individuell und kommt auf deine Vorlieben an. Ich kenne Leute, die erst nach einer Stunde eine Pause brauchen (dazu gehöre ich nicht). Andere schweifen schon nach 20 Minuten derart mit der Konzentration ab, dass eine Pause notwendiger ist als bei Erstklässlern nach 3 Stunden Mathe.
Okay, Beat, und was hat das mit einer Tomate zu tun?
Der Italiener Francesco Cirillo suchte in den 1980er Jahren nach einer Methode, um ihn an regelmäßige Pausen zu erinnern. Dafür nutzte er eine Küchenuhr in Tomatenform (italienisch: Pomodoro, wie du sicherlich vom letzten Pizzeriabesuch weißt).
Die Original-Pomodoro-Technik geht folgendermaßen:
- 25 Minuten üben mit voller Konzentration. Handy aus, Ablenkungen weg.
- 5 Minuten Pause
- nächstes Konzentrationsintervall
Nach 3-4 Pomodoros solltest du dir dann eine etwas längere Pause genehmigen.
Wichtig ist, dass du in den 5 Minuten Pause auch wirklich Pause machst. Und zwar eine Pause, die am besten deinen Körper und deinen Geist erholt. Darunter fällt kein Social Media, E-Mails checken oder Fernsehen – auch wenn du vielleicht der Meinung bist, dass dich das total erholt.
Hier sind ein paar Ideen, wie du deine Tomatenpause gestalten könntest:
- Gehe an die frische Luft
- Streck dich, geh ein paar Schritte oder mach ein paar Kniebeugen
- Trink einen Schluck Wasser
- Schließe deine Augen und lass die Gedanken schweifen (wenn du nicht einschlafgefährdet bist)
Der magische Effekt der Tomatentechnik:
Du bist in den Fokusphasen deutlich konzentrierter. Durch die regelmäßigen Pausen hältst du auch insgesamt länger durch als wenn du mit der Brechstange übst und versuchst, so lang wie möglich an den Tasten zu sitzen.
Ein weiterer Bonuseffekt:
Die klare Zeitstruktur befreit dich von deinem ständigen inneren Kampf: Übe ich jetzt noch weiter oder höre ich auf?
Du hörst erst dann auf, wenn dein Tomatentimer auf 0 geht.
Das spart dir mentale Energie, die du fürs Üben nutzen kannst.
Das ist echt magisch, versprochen!
Du musst auch nicht strikt 25 Minuten als Tomatenintervall verwenden.
15 Minuten Fokus und 3 Minuten Pause oder 20/4 können genauso funktionieren.
Für den Timer kannst du natürlich dein Smartphone verwenden. Aber die Gefahr, dass es dich ablenkt und du es doch in der Pause verwendest, steigt damit erheblich.
Eine Küchenuhr ist für diesen Zweck wirklich am besten geeignet.
Los geht’s
Die drei geheimen Zutaten der Profi-Pianisten kennst du, wenn du bis hier unten gelesen hast.
Jetzt ist es nur noch eine Frage des Tuns. Hör auf, auf Autopilot zu üben und mechanisch deine Tasten zu drücken bis 30 Minuten vorbei sind.
Sondern übe wie ein Profi. Mit messerscharfer Effizienz.