Klavier lernen per App – mit diesem Versprechen lockt das englischsprachige Piano Playground Session. Ob das Versprechen erfüllt werden kann und wie gut sich Playground Sessions im ausführlichen Praxistest schlägt, erfährst du in diesem Beitrag.
Die Social-Media-Algorithmen wissen natürlich schon sehr lange, dass ich Klavier spiele. Dementsprechend bekomme ich eine Fülle von Werbeanzeigen über alles, was mit Klavier spielen zu tun hat.
Sehr hartnäckig hielt sich auch die App „Piano Playground Sessions“, die mit Stars wie Quincy Jones und dem YouTube-Star David Sides wirbt, in meinen Feeds. Deswegen war es für mich auch höchste Zeit, die App aus den USA auszuprobieren und zu sehen, ob sie es mit den deutschen Platzhirschen flowkey und skoove aufnehmen kann.
Ich habe Piano Playground Session über mehrere Wochen intensiv getestet, um euch alle Stärken und Schwächen aus eigener Erfahrung darstellen zu können.
Was ist Piano Playground Sessions?
Piano Playground Session ist eine (bisher rein englischsprachige) App zum Klavierlernen. Sie richtet sich an Anfänger und Fortgeschrittene, die ein Digitalpiano oder Keyboard haben.
Hier ist bereits die erste wichtige Einschränkung: Während bei flowkey die Tonerkennung auch über das Mikrofon läuft (wenn auch etwas schlechter), ist für Playground Sessions eine USB-Verbindung zwingend erforderlich. Du benötigst also ein USB-fähiges Instrument, ansonsten kannst du nur Basicfunktionen wie die digitalen Sheets oder das Spielen der Lektionen ohne Feedback verwenden.
Woran liegt das?
Laut den Aussagen der Hersteller ist eine genaue Erkennung per Mikrophon aktuell technisch noch nicht möglich. Im Gegenzug erkennt Playground Sessions den Rhythmus, was Konkurrenz-Apps wie flowkey nicht können.
Bundle mit Keyboard möglich
Solltest du noch kein passendes Instrument haben und noch ganz am Anfang stehen, kannst du auch ein Bundle mit einem Keyboard oder Digitalpiano erwerben.
Playground Session gibt es als App für alle mobilen Betriebssystemen und auch für Windows und macOS. Die Installation ist wie bei allen Apps einfach und unkompliziert.
Kombination aus Video- und Playalong-Lektionen
Playground Session beinhaltet eine Kombination von interaktiven, Play-Along-Lektionen und Videoinhalten. Gerade diese Mischung und die Videos zwischendurch (nicht alle Songs und Kurse haben Videolektionen) sorgt dafür, dass Playground Sessions an „echten“ Klavierunterricht erinnert.
Als Videolehrer fungieren mehrere Pianisten, David Sides ist zum Beispiel ein berühmter Piano-YouTube, Mike Garson war jahrelang der Pianist von David Bowie.
Für wen ist Playground Sessions?
Playground Sessions ist perfekt für absolute Anfänger geeignet. Fortgeschrittene können ebenfalls viel Spaß und reichlich Erfolge mit PGS haben.
Wir haben Playground so konzipiert, dass man selbst dann, wenn man noch nie eine einzige Note gespielt hat, vom ersten Tag an süchtig ist und Spaß hat.
Quincy Jones – Mitgründer von Playground Sessions
Für weit Fortgeschrittene und Profis hat die App dagegen eher wenig Inhalte. Für mich waren viele der Bootcamps und Kurse zu einfach und ich hätte mir etwas mehr fortgeschrittene Lektionen gewünscht. Bei den inkludierten Songs gibt es dagegen noch einige Challenges für mich.
Wichtig: Playground Sessions ist aktuell nur auf Englisch verfügbar. Sowohl die Videos als auch die ganze App sind auf Englisch. Mit Schulenglisch dürftest du gut zurechtkommen, aber ohne Englischkenntnisse wirds etwas schwierig.
Wie viel kostet Playground Sessions?
Piano Playground Sessions verwendet wie alle vergleichbaren Apps ein Abomodell.
Wie üblich, wird Playground Sesssions pro Monat günstiger, je länger du abonnierst.
Die Kosten von Piano Playground Sessions sind:
- 24,99 $ bei monatlicher Zahlung
- 12,49 $ pro Monat bei jährlicher Zahlung (149,99 € pro Jahr)
- 349,99 $ für einen lebenslangen Zugang
Bei der Lifetime-Lizenz hast du nur auf die Kurse und Bootcamps lebenslangen Zugang, bei den Songs hast du leider nur 2 Jahre Vollzugriff. Danach musst du für den Zugriff auf alle Stücke wieder eine kleine Abogebühr zahlen (wie hoch diese ist, habe ich nicht in Erfahrungen bringen können).
Eine 7-tägige-Testphase hilft dir dabei, festzustellen, ob Piano Playground Sessions etwas für dich ist.
So lernst du mit Playground Sessions Klavier
Nachdem du dich registriert hast, musst du dein Instrument per USB oder Bluetooth mit deinem Endgerät verbinden. Am komfortabelsten spielt es sich natürlich vom Tablet, aber auch Notebooks oder Smartphones lassen sich problemlos nutzen.
Ich verwende für Playground Sessions ein iPad, das ich auf dem Kopf herum hinstelle, da sonst das Kabel unten im Weg ist.
Am besten hast du ein USB-Kabel, das lang genug ist, um es hinter dem Klavier zu führen, da es sonst beim Spielen stört. Oder du verwendest gleich Bluetooth, was aber nicht alle Instrumente beherrschen.
Als Startseite bekommst du das Dashboard angezeigt, das dir deine aktuellen Kurse und Songs sowie deine Statistiken auflistet. Als Spielzeit gilt übrigens nur die Nettozeit, abzüglich Durchläufe, die du abbrichst oder neu startest.
Als Menüpunkte stehen dir Bootcamp, Songs und Courses zur Verfügung. Alle Inhalte sind in drei Schwierigkeitsstufen unterteilt: Rookie, Intermediate und Advanced.
- Bootcamp: Hier lernst du die Piano-Grundlagen, von Musiktheorie über Position und Handhaltung bis hin zu komplexerer Klaviertechnik.
- Courses: Hier findest du ausführlichere Kurse zu Themen wie Notenlesen, das Spielen mit beiden Händen, Akkorde oder auch von Pianisten, was das Geheimnis ihrer Musik ist
- Songs: Hier stehen Tausende Songs zur Verfügung, die du per Knopfdruck lernen kannst. Für viele davon hast du die Wahl zwischen drei Schwierigkeitsgraden. Von einigen kannst du auch nur das Intro lernen (z.B. Still Dr.Dre oder A Thousand Miles)
Ab ins Bootcamp
Neben den Songs sind die Bootcamps das Herzstück von Piano Playground Sessions.
Die Lektionen sind sehr abwechslungsreich gestaltet. Egal, ob du absoluter Anfänger bist und erst mal lernen musst, welche Taste welcher Ton ist oder besser im Sechzehntelnoten spielen werden möchtest, du wirst Schritt für Schritt und mit Spaß durch die Lektionen geführt.
Besonders gut für Anfänger: Das Basic Bootcamp für Rookies ist ausgesprochen ausführlich und besteht aus stolzen 93 Lektionen. Jede davon dauert rund 10 – 30 Minuten, je nachdem, wie viele Vorkenntnisse du hast und wie schnell du lernst.
Auch Klavierspieler mit Vorkenntnissen finden hier sehr viele Inhalte, um ihre Fähigkeiten gezielt zu verbessern, unter anderem zu folgenden Themen:
- Grundlagen des Notenlesens
- Intervalle und Tonleitern
- Gehörbildung
- Takte und Notenwerte
Bei der Intermediate-Sektion geht es ein Level weiter und die Themen aus dem Basiskurs werden vertieft, unter anderem:
- Wie du Akkorde baust und spielst (fortgeschritten)
- Akkordverbindungen und -Umkehrungen
- Noten lesen und vom Blatt spielen
- Beidhändiges Spiel
- Pedalspiel
Im Advanced-Teil geht es dann viel um Septakkorde, das Spielen von schwierigen Rhythmen mit beiden Händen und schnelleren Melodien.
Ich hätte mir im Bootcamp etwas mehr Inhalte für weit Fortgeschrittene gewünscht, zum Beispiel zu dem sehr schnellen Spielen von Läufen oder weiter fortgeschrittenem Akkordspiel.
Insgesamt ist das Bootcamp sehr übersichtlich und strukturiert. Die Lektionen bauen aufeinander auf und auch als Nicht-Anfänger erfährst du, wo du am besten einsteigst.
Was ich außerdem sehr gut am Bootcamp finde: Die notwendige Musiktheorie wird locker und verständlich erklärt und dann immer sofort an Beispielen eingeübt.
Du bekommst zum Beispiel erklärt, was ein Septakkord ist, wie er klingt und spielst dann sofort ein paar Septakkorde in der Mondscheinsonate.
So geht das Verbinden von Theorie und Praxis!
So laufen die Lektionen ab
Sobald du eine Lektion im Bootcamp startest, bekommst du meistens eine Erklärung per Video von einem der Playground-Lehrer.
Nach der Erklärung geht’s direkt ans Üben des gelernten Inhalts. Häufig darfst du sogar schon Teile von Songs spielen, was natürlich mehr Spaß macht als trockene Übungen ohne Melodien.
Wenn du im Übungsteil auf Play klickst, zählt ein Metronom ein und du versuchst, möglichst viele Noten der Übung richtig zu spielen.
Du bekommst sofort Feedback, ob du richtig spielst und die Noten grün oder rot werden. Am Schluss des Abschnitts bekommst du eine Bewertung, je nachdem, wie viel du richtig gespielt hast.
Den Teil wiederholst du am besten so lange, bis du einen Score von mindestens 90 % erreichst.
Das Lernen ist bei Playground Sessions wie ein Videospiel aufgebaut. Du bekommst Punkte, erreichst höhere Level und versuchst, deinen Highscore in den einzelnen Songs zu knacken.
Die guten Hintergrund-Sounds tragen dazu bei, dass das Spielen superviel Spaß macht. Auch wenn du nur ein paar Basstöne von „Let it Go“ spielst: Mit der Begleitmusik klingt es wie schon richtig schön.
Dank der USB-Verbindung erkennt Playground Sessions genau, ob du richtig spielst. Die Erkennung funktioniert hervorragend und sehr genau. Selbst kleine Rhythmusfehler werden gnadenlos rot markiert. Gut so, denn so lernst du wirklich exakt zu spielen.
Kleiner Schwachpunkt: Ob du die Töne lange genug hältst, wird nicht kontrolliert (was aber technische Gründe hat und gar nicht möglich ist). Auch die richtige Lautstärke musst du selbst kontrollieren, aber auch das ist technisch nur schwer möglich.
Insgesamt macht das Spielen einfach Spaß. Die Gamification mit den Punkten und Levels hat dafür gesorgt, dass ich schnell süchtig wurde und gleich immer den nächsten Song meistern wollte.
Sehr guter Player mit vielen Steuerungsmöglichkeiten
Du möchtest erst mal nur die linke Hand üben? Der erste Takt bereitet dir Probleme und du möchtest ihn im Loop üben? Das Originaltempo ist auch dir auch zu schnell und du willst langsamer üben? All das kannst du im Player einstellen. Besonders positiv: Beim Tempo gibt es nicht nur drei Voreinstellungen, sondern du kannst die Geschwindigkeit frei festlegen. So kannst du dich langsam an das Originaltempo herantasten.
Auch Anzeige und Sound lassen sich sehr genau konfigurieren.
Insgesamt ist der Piano-Playground-Player extrem gelungen, das Üben macht sehr viel Spaß und du kannst den Player genau an deine Bedürfnisse anpassen.
Courses
Bei den Kursen vertiefst du deine Kenntnisse spezifisch und lernst zudem auch tolle Hintergrundinformationen über Musiker (Wie spielt David Bowies Pianist? oder Wie hat sich die Klaviermusik entwickelt?).
Die „Courses“ sind eine perfekte Ergänzung zum Bootcamp und beinhalten Lektionen zu allen Schwierigkeitsgraden. Regelmäßig kommen zudem auch Challenges zu bestimmten Bereichen dazu.
Der Courses-Bereich ist ideal für alle, die ein bisschen Abwechslung zu den Bootcamp-Lektionen suchen oder ihre Technik und ihr Verständnis gezielt verbessern wollen.
Songs
Die Songs sind das Herzstück von Piano Playground, denn natürlich möchtest du so schnell wie möglich Songs spielen.
Mit der Auswahl und Qualität der Stücke steht und fällt für mich auch die Bewertung einer Piano-App. Und: Piano Playground weiß hier absolut zu glänzen.
Aktuell hast du die Qual der Wahl aus mehr als 2000 Songs.
Die aktuell verfügbare Songauswahl findest du bequem hier auf der Website von Playgroundsessions.
Die Mischung ist ausgesprochen vielfältig – neben Mozart und Beethoven findest du dort auch Songs von Frank Sinatra, Queen, Ed Sheeran, Taylor Swift oder Yiruma sowie Titel aus Film, Serie oder Videospielen.
Die meisten Songs gibt es in verschiedenen Schwierigkeitsgraden (maximal 9 verschiedene Level von Rookie – Easy bis Advanced – Hard). Teilweise kannst du auch nur das Riff lernen (wie bei Clocks von Coldplay) oder den ganzen Song.
Super Arrangements, tolles Lernen
Als ich das erste Mal durch die Songs gescrollt bin, ist mir „In the End“ von Linkin Park ins Auge gesprungen. Ein Rocksong mit Rap-Elementen auf dem Klavier? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen und habe neugierig mit dem Lernen begonnen (Advanced Hard).
Piano Playground zerteilt den ganzen Song in logische Abschnitte, damit du nicht von vorne nach hinten durchspielst, sondern immer Stück für Stück lernst. Zudem lernst du beide Hände nacheinander und setzt es dann zusammen. Find ich gut!
Los geht’s mit dem markanten Piano-Intro von „In The End“. Das konnte ich ziemlich vom Blatt spielen, spannend wurde es dann beim Rap-Part in der ersten Strophe. Ich kämpfe mich durch rhythmisch anspruchsvolle Zeilen und ich stelle fest: Das ist super arrangiert! Die Klavierversion klingt toll.
Nach einigen Wiederholungen bin ich auch hier bei 95 % im Originaltempo und gehe weiter zum Refrain, der dank rhythmischer Begleitung und Oktaven in der rechten Hand auch alles andere als einfach ist.
Es macht Spaß, mich immer weiter zu verbessern, das Tempo langsam zu steigern und dann zum nächsten Teil zugehen.
(Übrigens musst du nicht jede Lektion absolvieren. Wahlweise kannst du auch sofort ganz nach hinten springen und den ganzen Song spielen.)
Höhepunkt ist dann die „Full Song Performance“, das letzte Level also, wo du den ganzen Song (mit Begleitung, also hier Schlagzeug, Gitarre, Synthesizer etc.) aufführst.
Auch hier bekommst du einen Score in Prozent und zwischen 1 und 3 Sternen. Diese Sterne kannst du sammeln und mit 15 Sternen kannst du dir einen Song deiner Wahl ausdrucken und dann auch außerhalb der App spielen.
Dieses Konzept finde ich eine sehr gute Lösung. Wenn Piano Playground Sessions ermöglichen würde, dass du die PDFs von jedem Song bekommst und herunterladen kannst, würde es das eigene Geschäftsmodell zerstören.
Fazit: Der Lernmodus hat mich voll und ganz überzeugt und auch die Arrangements der Stücke sind top. Regelmäßig kommen neue Songs hinzu, sodass es dir nicht so schnell langweilig wird.